Wir besuchten das Kalirevier in der Grenzregion zu Hessen.
Bertram Bölkow/TEAG

Arbeit im ewigen Dunkel

Sicherheit als oberstes Prinzip

Für Bergleute ist die Arbeit in lichtlosen Tiefen oft eine Passion. Wir besuchten das Kalirevier in der Grenzregion zu Hessen.

Allein der Weg hinab zu Sven Grauels Arbeitsplatz ist nichts für schwache Nerven: In nur 90 Sekunden bringt der massive Förderkorb seine Insassen vom beschaulichen Merkers im äußersten Westen Thüringens in eine andere Welt: Über 500 Meter unter den Gesteinsmassen des Werratals befindet sich der Einstiegspunkt in das weit verzweigte Tunnelsystem, das sich unter der Grenze von Hessen und Thüringen auf zwei Ebenen hinzieht. „Insgesamt gibt es im Werrarevier etwa 4.700 Kilometer Wegstrecke unter Tage“, erklärt der gelernte Bergbautechnologe, der heute Besuchergruppen durch die Kalistollen führt. Allein im Feld Merkers sind es etwa 470 Kilometer, immerhin zwanzig davon bekommen die Besucher im Erlebnisbergwerk auf den Touren zu sehen.

Sicherheit als oberstes Prinzip

Gleich zu Beginn wird jedem aufmerksamen Besucher klar, dass der Aufenthalt unter Tage keine reine Touristenattraktion ist: Für jeden Teilnehmer hängt der Bergmann eine kleine sogenannte Fahrmarke mit einer Nummer in einen eigens dafür vorgesehenen Schrank am Füllort unter Tage. An den Fahrmarken lässt sich im Ernstfall auf einen Blick sehen, wie viele Menschen sich noch im Bergwerk befinden. Zusätzlich wird jeder über ein Chipsystem im Computer erfasst.

Arbeit im ewigen Dunkel
Bertram Bölkow/TEAG
Allein der Weg hinab zu Sven Grauels Arbeitsplatz ist nichts für schwache Nerven
Bertram Bölkow/TEAG

Zwischen Bergbau und Tourismus

Auch wenn in diesem Teil des Reviers kein Abbau mehr stattfindet, sind die Kollegen von Sven Grauel hier nach wie vor tagtäglich am Arbeiten: „Die festen Produktionsrückstände der Nachbargrube Unterbreizbach werden hier in alte Abbaubereiche transportiert.“ Aus diesem Grund sind – anders als bei anderen Kaligruben in der Region – an der Oberfläche keine großen Halden zu sehen. Für den Besucher sind die anhaltenden Arbeiten ein Glücksfall. „Ohne die tatsächliche Nutzung würde sich der Erhalt eines reinen Schaubergwerks vermutlich nicht lohnen.“

Berufung: Bergmann

Als Sven Grauel während der rasanten Fahrt im Kleinlaster durch die teils nur wenige Meter hohen Strecken ein wenig von seinem Werdegang erzählt, wird schnell klar, dass er Bergmann mit Leib und Seele ist: „Es war immer mein Traum, unter Tage zu arbeiten – obwohl es in meiner Familie sonst keine Bergleute gibt.“ Bereits als Junge hatte er sich für das Thema Geologie interessiert und war in seiner Schulzeit in einer Höhlenforschergruppe. „Ich hatte schon immer ein Faible für dieses Thema, Bergmann war bereits damals mein erster und einziger Berufswunsch.“ 1987 begann er seine Ausbildung im Kalibetrieb Merkers und beendete diese im Fluss- und Schwerspatbetrieb Trusetal.

Eigene Klimazonen

Angst habe er am Arbeitsplatz unter tausenden Tonnen Gestein bisher noch nie gehabt, dafür aber eine Menge Respekt.

Man weiß, dass man sich auf jeden Kollegen verlassen können muss. Sonst kann leicht etwas schief gehen.“

– Sven Grauel

Am schwierigsten sei der Umgang mit dem Klima unter Tage gewesen. „Denn je tiefer man kommt, umso wärmer wird es.“ Einen kleinen Eindruck davon bekommen Besucher am tiefsten Punkt der Führung: An der Kristallgrotte in einer Tiefe von 840 Metern herrscht konstant eine Temperatur von 28 Grad. An den tiefsten Stellen können sogar über 40 Grad erreicht werden.

Bis zu 70.000 Besucher im Jahr

Für Sven Grauel endete der Traum von der Arbeit unter Tage wie für viele seine Kollegen zunächst mit der Wiedervereinigung. 1991 erhielt er seine Kündigung und musste über zehn Jahre dem Bergbau den Rücken kehren. 2014 bekam der gebürtige Bad Liebensteiner schließlich die Chance, als festangestellter Besucherführer im Erlebnis Bergwerk Merkers einzufahren. „Ich habe zu dieser Arbeit nie den Bezug verloren, sie war immer präsent.“ Bis zu 240 Besucher geleiten er und seine fünf festangestellten Kollegen zweimal am Tag durch das Bergwerk Unterstützt wird das kleine Team von ehemaligen Bergmännern im Ruhestand, die die Sehnsucht nach der Tiefe auch im Rentenalter nicht losgelassen hat.

Arbeit im ewigen Dunkel
Bertram Bölkow/TEAG

Rekorde unter Tage

Zu sehen gibt es einiges: Neben der 1980 entdeckten Kristallgrotte, die mit ihren Salzkristallen von über einem Meter Kantenlänge den derzeitigen Weltrekord hält, auch den „Goldraum“: Das ehemalige Lager der Deutschen Reichsbank, die hier im Zweiten Weltkrieg Devisen, Gold und Kunstschätze vor der Zerstörung schützte. Im Großbunker, einer 17 Meter hohen Halle im Berg, steht heute noch der weltweit größte Schaufelradbagger, der je unter Tage eingesetzt wurde. Er wurde seinerzeit in Einzelteilen heruntergeschafft und in sechsmonatiger Bauzeit zusammengesetzt. Heute bildet er den Hintergrund für die Konzerthalle unter Tage, in der außerhalb der Coronazeiten regelmäßig Veranstaltungen stattfinden und bei der Besucher bei jeder Tour eine Lasershow zu sehen bekommen.

Vom Touristenführer zum Bergmann

Die Coronakrise hat indes dafür gesorgt, dass Sven Grauel zeitweise wieder in seinem eigentlichen Fachgebiet eingesetzt wurde: Als während des Lockdowns keine Besucher kommen durften, wechselte er kurzerhand vom Lenkrad der Besucher-Lkws hinter das der Lader, Berauber und der anderen Großmaschinen, die hier im eigentlichen Betrieb eingesetzt werden. „Mir machen beide Tätigkeiten Spaß, und beides hat seine Vor- und Nachteile“, erklärt er rückblickend. Bergmann sein bedeutet etwa die anstrengende Arbeit im Drei-Schicht-Betrieb. Die Verantwortung für große Besuchergruppen zu tragen, sei aber auch nicht immer einfach. „Letztlich bin ich aber einfach froh, wieder unter Tage zu sein.“          

Mehr Informationen unter www.erlebnisbergwerk.de